Von bunten Graffiti über aufwendige Installationen bis hin zu historische Statuen: In Toulouse finden Reisende buchstäblich an jeder Ecke Kunst. Die Stadt in Südwestfrankreich gilt als einer der dynamischsten Orte des Landes hinsichtlich Graffiti. Der Street-Art in Toulouse ist mit „Rose Béton“ sogar ein Festival gewidmet, das alle zwei Jahre stattfindet, und die Stadt in eine Street-Art-Galerie unter freiem Himmel verwandelt.
Zudem versammelt die neue Freiluft-Ausstellung „Lay Up“ im Frühling und Sommer 2021 insgesamt 25 internationale Street-Art-Künstler aus Rotterdam, Lissabon, Berlin, Paris und weiteren Graffiti-Hochburgen in der rosafarbenen Stadt. Im Rahmen von „Lay Up“ verschönern die Künstler eine Wandfläche von 1.200 Quadratmetern in einem Industriegebäude in Toulouse, begleitet von Musik, Tanz und weiteren Vorführungen. Wer die urbane Kunstszene der Stadt genauer kennenlernen will, erkundet Toulouse am besten bei Streifzügen durch die „ville rose“.
Zahntechniker mit Kunstsinn: Skulpturen aus rotem Harz
Der Zahntechniker James Colomina verbindet seit einigen Jahren ein künstlerisches Hobby mit seinem Beruf und macht es für alle sichtbar: Aus Harz, mit dem er im Rahmen seiner Tätigkeit zu tun hat, fertigt er große, knallrote Skulpturen (siehe Titelbild). Die Kunstwerke tauchen insbesondere im Rahmen aktueller Ereignisse und gesellschaftlicher Entwicklungen plötzlich an öffentlichen Orten in Toulouse auf. Meist widmet Colomina sie Außenseitern, Ausgegrenzten und Vergessenen der Gesellschaft. Zu den bekanntesten Skulpturen zählen „Der Junge mit der Eselskappe“ (zu sehen an der Pont Neuf), „Der Herzensfänger“ (Jardin du Grand Rond) und „Der Mann mit dem Apfelkopf“ (Allées Jean Jaurès). Hin und wieder verschwinden die Figuren – gleichzeitig erscheinen andere inzwischen sogar in Paris.
Ode an lokale Helden: Statuen aus Bronze und Erde
Früher lernte Sébastien Langloÿs von Madeleine Tézenas als ihr Schüler alles rund um die Kunst – heute sind beide Toulouser berühmt für ihre Statuen aus Bronze, die berühmte Persönlichkeiten der Stadt darstellen. Zu den bekanntesten Statuen zählen der Sänger, Dichter und Maler Claude Nougaro, der Tango-Sänger und Komponist Carlos Gardel sowie Antoine de Saint-Exupéry, Autor von „Der Kleine Prinz“. Langloÿs und Tézenas arbeiten mit Bronze und mit Erde – Besucher können ihr eigenes „Stückchen Erde“ ins Atelier bringen, das dann in einer Statue verarbeitet wird, mehr als 1.000 Toulouser haben das bereits gemacht. Die wohl berühmteste Statue steht im Jardin Royal: der beliebte Autor Antoine de Saint-Exupéry hält den „petit prince“ in der Hand. In seinen Augen meinen Passanten die Sehnsucht nach Sinn und Wahrheit zu sehen, die charakteristisch für Saint-Exupéry war.
Das älteste noch sichtbare Graffiti im Jardin d’Embarthe
Inmitten des Jardin d’Embarthe, einer Oase im Herzen der Großstadt, befindet sich das älteste noch sichtbare Graffiti der „ville rose“. Inzwischen mit Efeu bewachsen, erinnert es an die Anfänge der Straßenkunst in Frankreich. Ende der 1980er Jahre schließen sich junge Künstler inspiriert von der New Yorker Hip-Hop-Kultur in Toulouse zusammen. Aus diesen, von den Behörden argwöhnisch beobachteten Treffen, entstand das Künstlerkollektiv Truskool. Die Sprayer 2pon, Der, Cree-T, Soune und Tilt bilden den Kern der Gruppe, an ihrer Seite entwickeln sich auch weibliche Künstlerinnen wie Fafi, Miss Van oder Melle Kat. Truskool wird schnell in der Stadt und weit über ihre Grenzen hinaus bekannt, das Kollektiv stellt seine Werke rund um den Erdball aus. Von Truskool stammt auch das Graffiti im Jardin d’Embarthe, das 1994 von der Stadt in Auftrag gegeben und von vier Mitgliedern der Truskool signiert wurde.
Rosafarbene Kreationen von Invader: Virtuelle trifft reale Welt
Fans von Retro-Videospielen erkennen direkt, woher der Street-Art-Künstler Invader seine Inspiration bekommt: Auf seinen Werken aus Mosaikfliesen verewigt er im Pixel-Stil Kultfiguren wie Pacman. 2016 war er in Toulouse zu Gast und hat in der Innenstadt sechs Kunstwerke geschaffen, passend zur Stadt ganz in rosa. Seit Ende der 90er Jahre reist Space Invader durch die Welt, um seine Kunst zu verbreiten – 2015 gelang es ihm sogar, auf der internationalen Raumstation ISS eines seiner charakteristischen Pixel-Mosaiks zu platzieren.
Das Viertel Arnaud-Bernard: Wiege der Street-Art
Im Toulouser Stadtviertel Arnaud-Bernard, auch „Arnaud-B“ genannt, formierte sich in den 1990er Jahren das Kollektiv Truskool und damit die Street-Art-Kultur der „ville rose“. Die Hauptstraße der Farben bildet die Rue Gramat, wo sich unzählige Graffiti-Kunstwerke befinden. Zu den größten Werken zählt es Auftragswerk der Stadt, das von sieben Mitgliedern von Truskool auf einer riesigen Gebäudefassade erschaffen wurde. Es ist dem Viertel als Wiege der Street-Art gewidmet, enthält Einflüsse jedes beteiligten Künstlers und ist in warmen Farben gehalten, passend zur rosafarbenen Stadt.
Traumhaft schöne Albträume: Monster von 100Taur
In der Rue des Anges bekommen Albträume ein neues Gesicht: Der Künstler 100Taur verarbeitet typische Monster aus Kinder-Albträumen in seinen Graffitis. Es wimmelt nur so von Fabelwesen aus Kinderbüchern und Popkultur, von Mythen, Sagen und einfach seiner Fantasie. Spongebob und Popeye treffen auf den Yeti oder auch Picasso. 100Taur hat auch das Fresko im Boulodrome von Toulouse entworfen, das längste seiner Art in der Stadt.
Fabelhaft und feministisch: Bunte Gesellschaftskritik von Mlle Kat
Seit den 90er Jahren ist Mlle Kat eines der wenigen, aber umso berühmteren weiblichen Gesichter der Graffiti-Szene in Toulouse. Ihre ersten Werke drehten sich um Pin-ups und starke Comic-Frauen – ihnen ist sie bis heute treu geblieben, ergänzt sie aber mit Einflüssen aus Werbung, 50er Jahre-Kino und aktuellem Weltgeschehen. Wo Mlle Kat am Werk ist, wird es bunt und oft auch sozialkritisch – Mlle Kat verarbeitet Themen wie den Klimawandel mit ihren weiblichen Charakteren auf den Häuserwänden von Toulouse.
Eine geführte „Graff Tour“ zum Thema Street-Art mit einem kundigen Guide sowie einem Künstler organisiert das Fremdenverkehrsbüro von Toulouse. Zudem gibt es die „Street Art Cities“-App in englischer Sprache, die eine interaktive Karte mit den berühmtesten Werken in Toulouse beinhaltet.
Weitere Informationen zu Toulouse als Reiseziel unter www.toulouse-tourismus.de
Bilder: ©Agence d’Attractivité Toulouse Metropole; Benjamin Roudet; James Colomina; Biennale Rose Béton
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