Die Sonne steht noch tief über den Reben, als die ersten Erntekisten in den Hof getragen werden. Es ist Lesezeit auf Château Figeac. Hier treffe ich zwei Menschen, die Figeac wie sonst kaum jemand verkörpern: Blandine de Brier Manoncourt, Tochter der Wein-Legende Thierry Manoncourt, und Frédéric Faye, den technischen Direktor des Hauses.
Schon zu Beginn des Gesprächs spürt man: Figeac ist mehr als ein Weingut – es ist ein Mythos, dessen reiches Erbe von jeder Generation neu interpretiert wird. „Ich bin hier aufgewachsen.“, schildert Blandine de Brier Manoncourt, „Dass ich aber eines Tages wirklich im Familienbetrieb arbeiten würde, war keineswegs geplant.“ Zunächst war sie Journalistin, bis ihre Kinder kamen – und das Weingut sie wieder einholte. „Es war ein fließender Prozess. Irgendwann war ich einfach wieder hier – ganz selbstverständlich.“

Auch für Frédéric Faye, der seit über zwanzig Jahren im Haus ist, ist Figeac ein Ort, an dem alles zusammenfließt: Terroir, Präzision, Intuition. „Unser Terroir ist außergewöhnlich“, sagt er, während wir über die steinigen Parzellen blicken. „Wir haben hier viel Kies und Schotter – eigentlich Médoc-Boden. Ideal für Cabernet Sauvignon, der Drainage und Wärme liebt. Auf den tonigeren Stellen steht Cabernet Franc. Merlot wächst fast überall, aber die Cabernets brauchen diese besonderen Bedingungen.“
Das erklärt, warum Figeac unter den Weinen von Saint-Émilion eine Ausnahmeerscheinung ist. Der Grand Vin besteht zu etwa gleichen Teilen aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc – eine Cuvée von seltener Spannung und Frische, die jedes Jahr neu komponiert wird. „Wir machen im Februar oder März Blindverkostungen“, erzählt Faye. „Niemand weiß, was im Glas ist. Nur so bleiben wir objektiv. Am Ende entscheidet das Team gemeinsam mit der Familie.“ Er lächelt: „Einmal sagte Madame Manoncourt zu mir: ‚Frédéric, das ist ein wunderschöner Wein – aber kein Figeac.‘ Zwei Prozent weniger Merlot, und alles stimmte. Das ist Figeac.“
Zwischen Tradition und Vision – Château Figeac neu gelesen
Doch Figeac ruht sich nicht auf der großen Tradition aus. 2018 war, so Faye, ein Wendepunkt: „Der Jahrgang war sehr heiß. Wir mussten lernen, früher zu lesen, um Frische zu bewahren. Seitdem begrünen wir die Weinberge stärker, achten auf Bodenvitalität und lesen selektiver. Wir wollen Weine mit Spannung, nicht Schwere.“
Auch im Keller weht ein neuer Geist. Seit 2015 verzichtet das Team während der Gärung vollständig auf Schwefel. „Früher war das selbstverständlich, um die Weine zu stabilisieren“, erklärt Faye. „Aber Schwefel kann Aromatik und Textur verändern. Ohne ihn sind die Weine transparenter, lebendiger.“ Blandine de Brier Manoncourt ergänzt: „Es geht nicht um weniger Schwefel als Ziel, sondern um mehr Ausdruck. Es ist, als würde man einen Vorhang zur Seite ziehen – plötzlich sieht man das ganze Landschaftsbild.“
Reife Leistung – Wie Château Figeac die Zukunft liest
Diese Haltung – präzise, offen, forschend – ist tief in der DNA von Figeac verankert und geht direkt auf Thierry Manoncourt zurück, einen der ersten, der nach dem Krieg wissenschaftliche Methoden im Weinbau einführte. „Er war kein Traditionalist, sondern ein Forscher“, sagt seine Tochter. „Wenn wir heute etwas verändern, denken wir oft: Er hätte das wahrscheinlich auch getan.“
Als Figeac 2022 in die höchste Kategorie der Saint-Émilion-Klassifizierung aufstieg, war das ein emotionaler Moment. „Jemand aus dem Team sagte zu mir: ‚Ich denke an Monsieur‘. Sein Geist lebt hier weiter, in uns und im ganzen Team. Es gibt eine Figeac-Kultur, die alles durchzieht.“
Und diese Kultur ist größer als ein Familienname. „Vielleicht liegt die Zukunft nicht unbedingt in der Familie – und das ist völlig in Ordnung“, sagt Blandine de Brier Manoncourt. „Wir haben ein großartiges Team, leidenschaftlich, kompetent, mit tiefem Verständnis für diesen Ort. Wichtig ist nur eines: Wer hier arbeitet, muss Figeac lieben. Und Demut haben. Man muss sich in den Dienst des Ortes stellen. Figeac ist zuerst ein Team, dann ein Ort – und dann ein Wein.“
Als wir zum Abschluss durch die Reben gehen, glitzern die Kieselsteine im Sonnenlicht. Faye hebt eine Handvoll auf. „Das ist Figeac“, sagt er. „Hier beginnt alles – Frische, Tiefe, Eleganz. Ein großer Wein ist einer, den man austrinkt. Wenn man nach dem ersten Glas sofort ein zweites möchte. Dann weiß man: Er lebt.“
Schnell zum Luxus: chateau-figeac.com
Bilder: ©Château Figeac, Mathieu Anglada, Jessica Bachmann