Meine Liebe zu Luxus-Handtaschen und hochwertigen Schuhen sowie die damit verbundenen Kosten rechtfertigte ich gerne mit dem Thema Nachhaltigkeit. Ich würde das Stück Leder hüten wie meinen Augapfel, über Jahre tragen. Zudem seien die Stücke ja elegant und damit zeitlos und aufgrund der soliden Handwerkskunst schon gar nicht kaputt zu kriegen. Doch in Zeiten, in denen mittlerweile nicht mehr nur Zara, H&M und Co ständig wechselnde Kollektionen anbieten, sondern auch Luxus-Labels mit ihren Resort-, Cruise- oder auch Pre-Fall-Kollektionen die Fast-Fashion-Industrie zusätzlich ankurbeln und mir ständig das Gefühl geben, meine gerade erst erworbene IT Bag sei schon wieder out, frage ich mich, ob der Slogan: „Buy less, buy luxury!“ überhaupt noch eine Berechtigung hat. Ist der Kauf von Luxusgütern wirklich nachhaltig?
Empirische Daten zeigen, dass High-End-Güter nachhaltiger sein können als Produkte der mittleren Preisklasse. Sie haben einen längeren Lebenszyklus, unter anderem aufgrund der Verwendung hochwertiger Materialien und handwerklicher Verarbeitung. Zudem verhalten sich Konsumentinnen und Konsumenten bei auserlesenen Gütern nachhaltiger, da sie diese länger besitzen wollen und meist auch umweltfreundlicher entsorgen können. Baumwolle und Seide lässt sich beispielweise einfacher recyceln als synthetische Gewebe. Hochwertige Kleidungsstücke und Accessoires werden lange getragen und genutzt. Zudem erleben Online-Second-Hand-Märkte, bei dem die Erstbesitzer die Produkte weiterverkaufen können, derzeit einen enormen Boom. Dennoch ziehen es viele Verbraucher vor, eher mehr günstigere anstatt wenige hochwertige Produkte zu kaufen. Die Produktlebensdauer spielt bei der Kaufentscheidung kaum eine Rolle, obwohl die Konsumentinnen und Konsumenten sich bewusst sind, dass hochwertige Produkte länger halten. Ständig neue Trends, monatlich wechselnde Kollektionen verführen zum Kauf von Fast Fashion oder plakativen Luxusgütern (für Einsteiger gibt es dann Dior Ohrringe mit CD Initialen anstatt aus Gold aus “Metall mit Goldfinish” für 350 Euro oder die Louis Vuitton Handtasche anstatt aus Leder aus vinylgetränktem Baumwollgewebe für ab ca. 1.000 Euro), um im Social Media Rummel mithalten zu können.
Prof. Dr. Erika Graf von der Frankfurt University of Applied Sciences, Professorin für Internationale Betriebswirtschaftslehre und Dozentin für Vertrieb und Nachhaltigkeit, macht auf das Thema Nachhaltigkeit in der Modeindustrie aufmerksam. Für die Marketingexpertin greift die Devise „Buy Less, Buy Luxury“ („kaufe weniger, kaufe Luxus“) allein zu kurz, da sie auf eine begüterte Kaufklientel zugespitzt ist. „Im Kern geht es darum, weniger und dafür hochwertige Produkte zu kaufen und somit um eine Abkehr von der konsumorientierten Wegwerfmentalität“, so Graf. Kriterien wie Qualität oder Design müssen aber mit ethischen und ökologischen Standards in der kompletten Lieferkette einhergehen. Bei High-End-Produkten gilt es als effektive Marketingstrategie, die Langlebigkeit von Produkten zu betonen. Eine wichtige und geschätzte Dimension des nachhaltigen Konsums. Allerdings ist Langlebigkeit allein kein Kennzeichen der Nachhaltigkeit des Produktes. Es sagt nichts darüber aus, ob bei der Herstellung auch das Tierwohl, z.B. bei Produkten aus Leder, oder die Arbeitsbedingungen, z.B. bei der Rohstoffgewinnung oder in Nähereien, berücksichtigt wurden, stellt eine Studie von Forschenden der Columbia University und der Georgetown University klar. Zudem ist mit einem hohen Preis nicht zwangsläufig eine hohe Lebensdauer verbunden. Ob die Investition in ein teures Accessoire oder Kleidungsstück tatsächlich ihr Geld wert ist, stellt sich erst nach längerem Gebrauch heraus oder beim genauen Lesen des Etiketts oder der Beschreibung im Online-Shop.
Marketingexpertin Prof. Dr. Erika Graf sieht gerade im Premiumsegment die Hersteller in der Verantwortung. „Die Branche der Luxusgüter muss sich neben der Kenntlichmachung der Langlebigkeit von Produkten auch zu umfassend nachhaltigen Geschäftspraktiken bei den Beschaffungs- und Produktionsprozessen bekennen. Das in Deutschland ab 2023 geltende Lieferkettengesetz wird dazu einen starken Impuls liefern. Die Nachverfolgung mittels Blockchain-Technologien ist bei Luxusgütern leichter umsetzbar als bei kleinpreisigen Artikeln und unterstützt zudem den Kampf gegen Fälschungen und Markenpiraterie, ein großes Problem in der Branche.“
Ziel muss es sein, dass Verbraucher nachhaltige Herstellung und Produktlebensdauer mit in die Kriterien der Kaufentscheidung einbeziehen und ihr Budget auf nachhaltige, langlebige Produkte konzentrieren, die deswegen nicht unbedingt namhafte Luxusgüter sein müssen: Rahmengenähte Budapester aus einer kleinen italienischen Manufaktur, ein ausgefallener Ring einer rumänischen Schmuckdesignerin, den sonst keiner hat oder ein Kleid der Schneiderin nebenan, mit dem Lieblingsstoff und dem perfektem Sitz, unterstreichen die eigene Persönlichkeit doch viel mehr, als in einer Masse von Louis Vuitton Taschen-Trägerinnen mitzuschwimmen. Klar gibt es auch schöne (Echtleder-)Designerhandtaschen, doch auch hier besteht die Möglichkeit zu nachhaltigeren und günstigeren Alternativen zu greifen, als zum Selbstkauf. Der The Beyond Club zum Beispiel vermietet an seine Mitglieder IT Bags bekannter High Street Labels, wie Hermes, Fendi und Velentino. (siehe Titelbild) Und so schließt sich der Kreis: auch für die nachhaltigen Sharing- und Second-Hand Modelle ist die Haltbarkeit von Produkten ein wesentliches Element für den Erfolg. Bleibt zu hoffen, dass auch die Herstellung bald eine rein nachhhaltige sein wird.
Bilder: ©The Beyond Club, Roberto Ugolino, Jessica Bachmann
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