Der Walchensee liegt ruhig in der Morgensonne. Dünne Nebelfäden ziehen über das Wasser, das in seinen tiefen Blautönen fast nordisch wirkt. Die umliegenden Wälder werfen Schatten auf die Ufer, nur das Gezwitscher der Vögel durchbricht die Stille. Hier, in Kochel am See, ist Lilian Günzel aufgewachsen. Nach Jahren in Berlin kehrt sie mit ihrem Mann Lukas zurück, um ein fast vergessenes Haus am See zu neuem Leben zu erwecken. 2023 eröffnen sie die Wallerei am Walchensee.
„Ich habe meine Kindheit und Jugend hier verbracht. Das Haus war immer Teil dieses Ortes“, erzählt Lilian Günzel. Die Entscheidung, zurückzukehren, war keine Flucht aus der Stadt, sondern ein bewusstes Bekenntnis zu ihren Wurzeln. Gemeinsam übernimmt das Paar eine alte, verfallene Pension, restauriert sie mit viel Fingerspitzengefühl und füllt sie mit neuer, stiller Energie.

Die Wallerei am Walchensee ist heute ein Ort mit 16 Zimmern, einer neu eröffneten Suite, Fine-Dining Restaurant und Pizzeria Biergarten – und fühlt sich doch weit entfernt von dem an, was man unter einem klassischen Hotel versteht. „Wir wollen gar kein typisches Hotel sein. Eher wie bei Freunden. Wir duzen unsere Gäste – das ist Teil unserer Haltung“, sagt Lukas Günzel.
Der Charme der Wallerei entsteht aus dem Zusammenspiel von Bestand und Moderne. „Wir haben geschaut, was da ist – und das Bestehende integriert. Viele Möbel stammen aus der alten Einrichtung oder wurden über eBay Kleinanzeigen und lokale Kontakte gefunden“, erzählt Lilian. Die alten Lampen, Kommoden, Holztische: alles wurde kombiniert, erhalten – oder bewusst ergänzt.
„Leute denken, wenn du ein Hotel eröffnest, brauchst du ganz viel Neues. Aber bei uns haben sogar Einheimische Möbel gebracht – der Billardtisch etwa wurde uns geschenkt. Heute ist er das Herzstück unseres Salons“, sagt sie und lacht. Die ursprüngliche Schreinerarbeit in den Zimmern, die alten Vertäfelungen, originale Betten – vieles wurde erhalten und macht den besonderen Reiz aus.
Auch baulich ist das Haus ein Kleinod mit Geschichte: Der vordere Teil stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert, wahrscheinlich sogar aus dem 16. Jahrhundert, als Teil eines Hofes des Klosters Benediktbeuern. In der alten Stube wurde unter Teppichboden ein massiver Holzboden freigelegt, ein historischer Kachelofen vollständig ab- und wieder aufgebaut. Die Restaurierung ist dabei nie nostalgisch, sondern eine kluge Weiterentwicklung mit Stilgefühl.
Reduktion statt Inszenierung – Wallerei am Walchensee
Die Zimmer der Wallerei folgen einer klaren Linie: kein unnötiger Schnickschnack, kein Fernseher, kein Entertainment-Angebot. Stattdessen Naturstoffe, weite Ausblicke, viel Licht und Luft. „Wir haben uns gefragt: Was braucht ein Ort wie dieser wirklich? Und die Antwort war ganz klar: Ruhe, Raum, Reduktion“, sagt Lukas. Kein Spa, kein Retreat, kein Überangebot. Dafür kleine, feine Formate: Lesungen, Gespräche, Workshops – aus echtem Interesse, nicht als Programmpunkt.
Auch in der Küche zeigt sich die Philosophie der Wallerei: Qualität, Regionalität und ehrliches Handwerk stehen im Fokus. Jeden Abend gibt es ein wechselndes Dreigangmenü – so regional und saisonal wie möglich. Keine Showküche, keine Luxusprodukte, sondern ehrliche, alpine Küche mit Twist.
Dafür sorgt Küchenchef Kevin Burzell, ein gebürtiger Amerikaner mit internationaler Erfahrung – u.a. in Asien, den USA und als Betreiber eines eigenen Restaurants in Seattle. In der Wallerei bringt er sein Können nun auf bayerische Teller: vertraute Klassiker, modern interpretiert, mit viel Charakter und Tiefe. Vom Brathendl bis zur Brühe wird alles hausgemacht. Seine Gerichte erzählen Geschichten – vom Ort, von den Produzenten, vom Rhythmus der Jahreszeiten.
Pizza für alle
Weil Kulinarik aber auch unkompliziert sein darf, wurde nebenan eine kleine Pizzeria eröffnet – mit hausgemachter neapolitanischer Pizza. „Wir wollten etwas machen, das zu allen passt. Pizza geht immer – und in Walchensee gab es lange keine mehr“, so Lukas. Die Resonanz ist groß – sowohl bei Hotelgästen als auch bei Einheimischen.
Der private Seezugang mit Holzsteg, Fasssauna und Ruderboot liegt direkt gegenüber dem Haus – und fühlt sich doch an wie weit weg von allem. „Viele Menschen spüren, wie laut die Welt geworden ist“, sagt Lilian Günzel. „Die Wallerei ist unsere Antwort darauf. Leise. Echt. Und sehr bewusst.“
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Bilder: ©Andi Huber, Jessica Bachmann