Chorizo aus Fisch, Plankton als Superfood und fluoreszierende Minischrimps. Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem erstaunlichen Küchenrepertoire von Ángel León. „El Chef del Mar“ kocht in seinem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant Aponiente im spanischen Cadíz zu 90 Prozent mit Meeresprodukten – Tendenz steigend. Wir haben den andalusischen Spitzenkoch einen Besuch in seinem spektakulären Restaurant abgestattet.
Ángel León, Mitte 40 und im südspanischen Cadíz geborener Spitzenkoch, liebt das Meer. Schon als Kind, wie er sich erinnert, als er mit seinem Vater zum Fischen rausfuhr. „Aus dieser Leidenschaft wurde während meiner Lehrjahre in Frankreich Vision und anschließend vielleicht sogar Besessenheit“, sagt der Spitzenkoch heute, wo er beinahe alles erreicht hat, was ein Küchenchef erreichen kann. Drei Michelin Sterne bekam er im Jahr 2017 verliehen – seither reckt das Michelin-Meermännchen, das ein befreundeter Künstler für Ángel León anfertigte und das nun im Eingangsbereich des Restaurants hängt, symbolisch drei Finger nach oben. Auch auf der Liste der Worlds 50 Best Restaurants geht es stetig in diese Richtung und León ist gerne gesehener Redner beim bekannten Food-Kongress Madrid Fusion, wo er vor namhaften Kollegen und Fachpublikum für die kulinarische Vielfalt des Meeres und dessen Schutz wirbt.
Ángel León – Die Küche der Zukunft kommt aus dem Meer
Schon kurz nach der Begrüßung sind wir also mittendrin im Gespräch über das Meer und seine Produkte, probieren dabei die für Spanien so typische Chorizo. Eine Rohwurst die üblicherweise vom Schwein und mit viel Paprika hergestellt wird. Hier ist sie aus Fisch, wie León erklärt – und schmeckt doch genau wie das Original. Lange hat der Chef del Mar, wie er landauf landab nur noch genannt wird, an dieser Ähnlichkeit gearbeitet und dennoch ist es nur eine von vielen innovativen Ideen, die er im Aponiente vorantreibt. Das in einer historischen Gezeitenmühle von 1815 und direkt am Meer gelegene Restaurant ist Schauplatz einer der spannendsten Entwicklungen der aktuellen Kulinarik, schließlich ist León davon überzeugt, dass die Vielfalt des Meeres die Zukunft unserer Ernährung maßgeblich prägen wird: „Hier sehe ich auch einen Bildungsauftrag für uns, dass wir den Menschen und auch den Restaurants die Vielfalt des Meeres näherbringen müssen. Wir müssen den Lebensraum Meer sinnvoller nutzen und aufhören, einfach nur verschiedene Fischarten auszurotten.“
Genau deshalb verarbeitet León unbekanntere Fischarten in seiner Chorizo oder anderen Gerichten, um „sie den Menschen wieder schmackhaft zu machen und so den bisher ungeliebten Beifang, der bei einer Tonne Qualitätsfisch bis zu fünf Tonnen ausmachen kann, nutzbar zu machen. „Wir haben hier 60 bis 70 Fischarten in der Region, die Menschen kannten lange aber nur fünf bis sechs, die bereits überfischt sind. Wenn wir mehr Arten nutzen, ist das also gut für den Bestand und gut für die Fischer, die weniger Beifang haben.“
Plankton als Superfood und fluoreszierende Mini-Krebse aus der Tiefe des Meeres
Auf Fleisch – und das, obwohl das Iberische Schwein generell und der Pata Negra Schinken im Speziellen doch Weltruf genießen – verzichtet der Andalusier konsequent. Zwiebeln, Paprika und anderes Gemüse findet nur mehr beim Kochen von Brühen oder ähnlichem Verwendung in der Küche des Aponiente. Und wenn es nach León geht, möchte er in spätestens zehn Jahren komplett auf landwirtschaftliche Erzeugnisse verzichten können. Dass ihm dies gelingt und er dennoch eine vielfältige und genussvolle Küche anbieten kann, darf getrost angenommen werden. Neben der Fisch-Chorizo arbeitet Ángel León seit Jahren unermüdlich auch mit Meeresbiologen zusammen, konnte sich so die Gewinnung von Plankton als Lebensmittel patentieren lassen.
Abermillionen Liter Wasser müssen gefiltert werden, um die Menge eines kleinen Tütchens Plankton zu gewinnen. Das hat es dann aber in sich, wie der Koch berichtet: „Plankton ist ein echtes Superfood, es enthält viele Mineralien und Vitamine und fast dreißigmal so viel Omega 3 Fettsäuren wie Olivenöl. Nur weil sie Plankton zu sich nehmen, enthalten Fische überhaupt Omega 3 Fettsäuren. Wir bauen das nun immer weiter in unsere Gerichte, würzen zum Beispiel ein Risotto anstelle von Parmesan damit oder geben Soßen die nötige Power.“
Geschmackliche Power hat das Plankton zweifelsohne, erinnert es mit seinem satten Geschmack doch an das pure Meer und ist zudem ein gutes Beispiel für Leóns Durchhaltevermögen. Alleine das Genehmigungsverfahren für die Zulassung als Lebensmittel durch die EU dauerte sieben Jahre, von der aufwendigen Pionierarbeit in Sachen Planktongewinnung in Pulverform ganz abgesehen. Doch der Spanier sieht noch mehr Potential in seinem Superfood: „Vielleicht hilft diese nährstoffreiche Zutat aus dem Meer ja sogar irgendwann, den Hunger und die damit verbundenen Mangelerscheinungen in der Welt ein Stückweit einzudämmen.“
Ángel León – Nah am Wasser gebaut
Befürchtungen, dass er das Meer und dessen Produkte irgendwann satt hat, bestehen freilich nicht, schließlich sind etwa 70 Prozent der Erdoberfläche vom Meer bedeckt. „Das Meer ist folglich wesentlich vielfältiger als der Boden und noch immer ein großes Mysterium. Es ist also ganz einfach für mich, Langeweile zu vermeiden und es gibt noch so viel zu entdecken.“ Genau wie der Name des Restaurants, wegen dem ich abschließend bei Ángel León noch nachfrage, was es denn damit auf sich hat: „So wird der Wind aus dem Westen hier genannt. Der Wind der vom offenen Meer kommt“, antwortet der sympathische Spitzenkoch. Der, der uns die Vielfalt des Meeres ein Stück näher bringt, sagen wir.
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Fotos: ©Derk Hoberg; Álvaro Fernández Prieto / Aponiente
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