Eckart Witzigmann – Vom Skilift in den Koch-Olymp

„Früher war Skifahren harte Arbeit, heute ist es purer Genuss“, sagt Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, der selbst leidenschaftlicher Skifahrer war und seinen Einstieg in die Spitzengastronomie einem glücklichen Zufall auf der Piste verdankt. Warum er den Skisport so liebt, welche seine liebsten Skigebiete sind und warum gehobene Kulinarik und Luxus am Berg immer wichtiger werden, hat uns der in München lebende Österreicher in einem ausführlichen Gespräch verraten.


Es ist bereits einige Jahre her, seit Eckart Witzigmann (77) zum letzten Mal auf Skiern einen verschneiten Hang herunterwedeln konnte – die Knie lassen es heute einfach nicht mehr zu. Dennoch zieht es den sportbegeisterten Spitzenkoch noch immer in die Berge seiner Heimat und er beobachtet die aktuellen Entwicklungen in den Skigebieten mit großer Neugier. Kein Wunder, tut sich dort in den letzten Jahren doch so einiges: Neben immer komfortableren Liften, stetig besser werdendem Material und zunehmend luxuriösen Hotels samt ihrer verlockenden Wellnessangeboten rückt freilich auch die Gastronomie verstärkt in den Fokus.

Zahlreiche Tourismusverbände starten Genuss-Offensiven, versuchen, Gourmets mit Fine Dining-Events auf die Piste zu locken und auch die Skihütten legen wieder mehr Wert auf eine frische Küche und investieren verstärkt in ihre Weinkarten. Nicht selten stehen renommierte Köche wie Norbert Niederkofler in Corvara (Südtirol) dabei mit ihrem guten Namen Pate und entwickeln eigens Gerichte für Initiativen wie „Skifahren mit Genuss“. Nur ein Beispiel wie das Zusammenspiel aus Sport, Natur und Gastronomie heute auf gehobenem Niveau zelebriert wird.

Auf der anderen Seite sind auch die besten Köche in erster Linie Genussmenschen und zahlreiche unter ihnen auch exzellente Skifahrer. Eckart Witzigmann, der im österreichischen Bad Gastein aufwuchs, eine Kochlehre absolvierte und später die kulinarische Welt im Sturm erobern sollte, macht da keine Ausnahme. Auf Stationen in Frankreich, unter anderem bei den Gebrüdern Haeberlin im Elsass und bei Paul Bocuse in der Nähe Lyons, folgten weitere in ganz Europa und den USA, bevor er 1971 die „Nouvelle Cuisine“ schließlich nach Deutschland brachte. Nachdem er bereits mit zwei Michelin-Sternen für seine Küche im Münchner „Tantris“ ausgezeichnet wurde, eröffnete er 1978 sein eigenes Restaurant „Aubergine“, das 1980 zum ersten Drei-Sterne-Restaurant Deutschlands und damit auch zu einem der ersten außerhalb Frankreichs avancierte.

Die New York Times bezeichnete Witzigmann, der nie ein Restaurant in New York hatte, einst als „Koch der Könige und Götter“ und zahlreiche weitere Auszeichnungen wie die Berufung der schwedischen Universität Örebro zum Professor und Doktor ehrenhalber zeugen von seiner Bedeutung für die internationale Gastronomie. Als der französische Restaurantführer „Gault & Millau“ Eckart Witzigmann 1994 zum „Koch des Jahrhunderts“ kürte, reihte er sich endgültig in die Riege der größten Köche aller Zeiten ein: Diese Auszeichnung wurde bis heute nur an drei andere Vertreter dieser Zunft verliehen: Paul Bocuse, Joël Robuchon und Frédy Girardet.

In der Folge begann Witzigmann eine Karriere als kulinarischer Berater rund um den Erdball und ist bis heute Patron im Restaurant „Ikarus“ im Hangar-7 am Salzburger Flughafen. Dort kochen im monatlichen Wechsel die kreativsten und besten Küchenchefs aus aller Welt – eines der innovativsten Gastronomie-Konzepte weltweit. Seinen Aufstieg in den Koch-Olymp verdankt Witzigmann aber nicht nur seinem Talent und seiner fortwährenden Neugier hinsichtlich der besten Produkte und deren optimaler Verarbeitung, sondern auch einem glücklichen Zufall auf den Ski-Pisten von Davos, wie er uns im Interview verrät.

Derk Hoberg und Eckart Witzigmann (li.) im Gespräch

Das Interview mit Eckart Witzigmann

Herr Witzigmann, was macht das Skifahren für Sie persönlich so besonders, was verbinden Sie damit bis heute?

Zunächst einmal habe ich das Skifahren als wunderbaren Sport in der freien Natur und an der frischen Luft immer geliebt und ich vermisse es doch sehr. Es gibt unzählige schöne Erinnerungen, am eindringlichsten erinnere ich mich heute aber noch an unsere Skiabfahrten mit Fackeln in sternenklaren Nächten, herunter von der Hütte meines Cousins Walter an der Mittelstation der Stubner-Gondelbahn in Bad Gastein – unvergesslich. Zudem haben das Skifahren und Kochen für mich viel miteinander zu tun. Es braucht hier wie dort einen guten Trainer, Disziplin, Willensstärke und viel Gefühl. Und bei aller Anstrengung muss spürbar bleiben, dass man Spaß daran hat.

War das Skifahren früher generell romantischer als heute?

Romantischer würde ich nicht sagen. Die tollen Erinnerungen an diese Zeit verklären ein wenig, dass auch harte Arbeit war. Die Ausrüstung war lange nicht so gut, man hat ständig gefroren. Mein Vater war Schneidermeister und sein Hauptgeschäft war der Verkauf der Bad Gasteiner Skikeil-Hose. In der Wintersaison hat er fünf Gesellen beschäftigt, der Laden brummte. Dennoch waren die Hosen nicht sehr warm. Oft mussten wir den Berg dann mit den Skiern auf der Schulter hochstapfen und wenn wir mal Lift fahren durften, dann war er unbequem und so langsam, dass wir, oben angekommen, vor Kälte fast geweint haben. Heute ist es ein Genuss. Die Skischuhe, die Bindungen, die Ski selbst, die einem alles verzeihen – das kann man gar nicht mit früher vergleichen.

Wie würden Sie ihren eigenen Fahrstil beschreiben, welcher Typ Skifahrer waren Sie?

Das müssen Sie andere fragen, ich habe mich ja nicht gesehen. Aber mein Freund Gernot hat mal gesagt: „Ich war immer der Schnellere, Eckart der Elegantere. Eckart war in allem ein Stilist.“ Wir konnten aber auch wilde Hunde sein, sind im Tiefschnee über verschneite Hüttendächer gesprungen und haben auch mal was riskiert.

Eckart Witzigmann, Hans Haas und Jörg Wörther beim Sterne Cup der Köche

Sie gelten als absoluter Perfektionist im Beruf – ein Teil Ihres Erfolgsrezepts als Koch. Waren Sie beim Sport genauso ehrgeizig wie in der Küche?

Beim Skifahren war ich durchaus zielstrebig, ja. Ich kann mich noch erinnern, wie ich im Alter von sechs Jahren mein erstes Kinderrennen gewonnen habe. Meine Eltern haben mich dann ins Internat gesteckt und spätestens mit meiner Kochlehre im Anschluss hatte ich keine mehr Zeit zum Trainieren. Aber auch bei anderen Sportarten wollte ich immer gewinnen. Egal ob beim Tennis oder beim Fußball, ich war manches Mal ein schlechter Verlierer. Und ich habe das Radfahren geliebt, da war ich über viele Jahre besonders ehrgeizig. Ich erinnere mich an ein Jahr in der Schweiz, da habe ich über 13.000 Kilometer und unzählige Höhenmeter abgespult. Meine beiden Eddy Merckx-Räder habe ich heute noch, die hat Eddy mir damals persönlich in Belgien angepasst.

Sie haben jahrelang am Sterne Cup der Köche, einem traditionellen Skirennen für Spitzenköche teilgenommen. Wie haben Sie dabei abgeschnitten?

Immer gut, ich habe stets einen Pokal von den Rennen aus Kitzbühel und später aus Ischgl mit nach Hause genommen. Aber nur, weil ich damals auf Mallorca gearbeitet habe und für die Balearen gestartet bin. Ich war der einzige Starter von dort, sozusagen der Balearen-Meister (lacht). Aber Spaß bei Seite, da sind richtig gute Skifahrer unter den Köchen dabei: Die Obauer-Brüder aus dem „Restaurant-Hotel Obauer“ in Werfen, Martin Sieberer aus der „Paznaunerstube“ im Hotel Trofana Royal in Ischgl oder der Hans Haas aus dem „Tantris“ in München. Es war schwer, an ihnen auf der Piste vorbeizukommen.

Eckart Witzigmann: Auf der Piste und am Herd ein Stilist

Welche waren Ihre liebsten Skigebiete?

Man sollte nie vergessen, wo seine Wurzeln liegen. Das ist in meinem Fall Bad Gastein, wo man mir inzwischen sogar eine Gondel verehrt hat, und natürlich im gesamten Salzburger Land. Aber genauso war ich gerne in Tirol oder Vorarlberg unterwegs, zum Beispiel in den Kitzbühler Alpen, in Ischgl oder am Arlberg. Gerne erinnere ich mich auch an die Pisten in St. Moritz, Villars-sur-Ollon oder an Pontresina in der Schweiz zurück und auch in Frankreich gibt es ganz hervorragende Skigebiete wie jene in Courchevel oder Val d’Isère.

An welche Anekdote bei Ihren Skiausflügen erinnern Sie sich bis heute gerne zurück?

Bei mir hat der Zufall mitgespielt, um Eintritt in die besten Küchen der Welt zu finden. Anfang der 1960er Jahre hatte ich Jean-Pierre Haeberlin aus der „L’Auberge de l’Ill“ – damals zwei Michelin-Sterne – in einem Skilift in Davos kennengelernt. Er sollte mir später ermöglichen, bei ihm und seinem Bruder Paul im Elsass zu lernen. Ich arbeitete damals noch in Davos und sagte ihm, dass ich davon träume, einmal im Leben in einer französischen Küche zu arbeiten. Ich zeigte ihm meine super Zeugnisse, schrieb eine Bewerbung – hörte dann länger aber nichts. Deshalb plante ich bereits, eine Stelle in Südafrika anzutreten, als plötzlich doch noch ein Brief von den Haeberlins ankam. Darin stand, dass ich am 15. Februar 1964 bei ihnen anfangen dürfe. Bis heute hege ich ein sehr familiäres Verhältnis mit der Familie Haeberlin und letztlich war dieses Treffen im Lift mein Trampolin in die internationale Kochelite. Ich kam in die richtige Spur, entwickelte über viele weitere Stationen meine Identität als Koch und bin bis heute eng mit der Familie Haeberlin befreundet.

Eckart Witzigmann (li.), Marc Haeberlin und Derk Hoberg (re.)

Immer mehr Skigebiete setzen heute auf internationale Spitzenköche wie Sie als Zugpferd für Genussoffensiven. Ist das heute ein Muss, um mehr Gäste anzulocken?

Die Skigebiete entwickeln sich stetig weiter und müssen alle zusehen, ihre Betten voll zu bekommen. Die Konkurrenz schläft nicht, auch nicht am Berg. Da wird gerne zu diesen Mitteln gegriffen und letztlich kommt das dem Gast ja auch sehr zu Gute. Mir ist allerdings wichtig, dass bei solchen Veranstaltungen regionale Produkte und Gerichte im Mittelpunkt stehen und dass man sich seiner Traditionen bewusst ist. So wie in Ischgl beim „Kulinarischen Jakobsweg“ oder bei der „Via Culinaria“ im Salzburger Land, wo Spitzenköche jeweils Hüttengerichte mit regionalen Zutaten kreieren, die auf den Hütten dann auch tatsächlich für die Wirte umsetzbar sind.

Dennoch wird immer öfter auch Spitzenküche am Berg angeboten, Produkte aus aller Welt eingeflogen. Ist das wirklich notwendig?

Da bestimmt das Angebot die Nachfrage. In St. Moritz oder in Courchevel und in vielen Spitzenhotels in den Alpen gibt es natürlich Kunden, die darauf großen Wert legen. Dort wird eben Gänseleber, Hummer und Trüffel in rauen Mengen serviert. Die Spitzengastronomie aber, wie wir sie in den Städten und mit den genannten Produkten finden, ist in meinen Augen in Skihütten nicht authentisch und nicht vertretbar. Hier freuen sich die Skifahrer doch auf die traditionellen Gerichte wie hausgemachte Knödel, Erbsensuppe, Kaiserschmarrn oder Strudelspezialitäten. Und da sind die meisten Skigebiete auf einem guten Weg, der Trend geht zu mehr Qualität, einer gepflegten Gastronomie und damit auch zu mehr Genuss abseits der Pisten. Mit regionalen Zutaten und immer frisch zubereitet, ganz im Sinne der Alpenküche, kann Essen viel mehr sein, als ein reiner Sattmacher. Dann hilft es der Gesundheit, gibt neue Energie für die nächsten Abfahrten und bereitet vor allem Lebensfreude.

Lieber Herr Witzigmann, recht herzlichen Dank für das Gespräch!

Bilder: Helge Kirchberger (Titel), Derk Hoberg, Champagne Laurent Perrier, Privat

Hier: Sport und Alpenküche – Norbert Niederkoflers Erfolgsrezepte

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